Es ist offiziell: ich habe das erste Semester meines Ingenieurstudiums über 40 erfolgreich abgeschlossen. Alle Prüfungen bestanden! Wer hätte das gedacht. 25 Jahre nach dem Abitur hab‘ ich mich erfolgreich durch höhere Mathematik, Physik, Anorganische Chemie und Technisches Zeichnen gearbeitet. Juhu!

Ferienarbeit

Eigentlich steht nächste Woche noch die Prüfung in Technische Mechanik (Statik und Festigkeitslehre) an. Aber die werde ich aufs nächste Semester verschieben. Denn während meine Kommilitonen für die letzte Prüfung des Semesters lernen, kümmere ich mich aktuell um’s Geschäftliche. Denn neben dem Studium bin ich ja noch Unternehmerin und das habe ich die letzen Monate definitiv stark vernachlässigt. Erfreulicherweise liebe ich meinen Job und so tut es nicht weh, mir während der Semesterferien meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Fürs kommende Semester werde ich allerdings auch während der Vorlesungszeit nebenbei arbeiten. Ich habe bereits Kundentermine fürs zweite Semester vereinbart. Drückt mir die Daumen, dass es diesmal klappt mit dem Arbeiten neben dem Studium.

Nachdem das erste Semester für mich also abgeschlossen ist, möchte ich Bilanz ziehen. Oder nein, das klingt zu förmlich. Eigentlich habe ich eher so ein Sammelsurium an Eindrücken und Erlebnissen, die ich teilen möchte. Wenn Du mir auf Instagram folgst (was Du echt tun solltest), kennst Du vieles schon, zum Beispiel das hier:

Hausis ohne Heulen

Mathe-Hausis sind echt so mit das härteste eines Ingenieurstudiums. Als BWL-Studentin kannte ich das gar nicht. Leistungsstress gibt’s in der BWL immer erst zu den Prüfungen. Hausaufgaben gab’s da nie, während man im Ingenieurwesen jede Woche eine Art kleine Prüfung zu meistern hat. In Mathe musste man eine bestimmte Punktzahl in den Hausaufgaben erreichen, ehe man überhaupt zur Prüfung zugelassen wurde. Entsprechend heftig war das Woche für Woche, zumal die Hausaufgaben durchaus sehr anspruchsvoll waren. Ich war da wirklich, wirklich oft am Verzweifeln – zumal ich ja nicht nur mit der aktuellen Fragestellung zu kämpfen hatte, sondern mir auch die Basics fehlten. Termumformung, mathematische Regeln. Nichts sitzte mehr, alles musste erarbeitet werden.

Das änderte sich mit Technisch Zeichen. Da waren die Hausis deutlich leichter. Endlich mal Hausaufgaben ohne Heulen. Die Hausis in Technisch Zeichnen glichen eher einer Art Mandala malen für Ingenieure. Soooo entspannend. Gegen Ende des Kurses wurde das ganze zwar durchaus sehr anspruchsvoll, dennoch: im Heul- und Panikfaktor kann es nicht mit Mathe mithalten. Auch mal schön.

Skurriles aus dem Paralleluniversum Studium

Das absolut seltsamste, von dem ich im ersten Semesters erfuhr, sind Study With Me Videos. In diesen YouTube Videos wird nicht gesprochen und es gibt auch nur eine einzige Einstellung: über ein oder mehrere Stunden kann man anderen beim Lernen zusehen.

Und ich nur so: hä? Aber offensichtlich nutzen das manche gerne, damit sie nicht allein lernen. Ganz so, als seien sie in einer Bibliothek mit anderen. Vielleicht auch zur Motivation im Sinne von „Hey, wenn die im Video 2,5 Stunden am Stück arbeitet, dann zieh‘ ich das auch durch“? Ich finde es auf jeden Fall total abgefahren. Ich bin gespannt auf Eure Meinung: nutzt Ihr Study with me Videos?

Eine weitere Sache, für die ich mich nicht erwärmen kann, die sich aber höchster Beliebtheit erfreut ist die App Jodel. Es ist eine Mischung aus Dr. Sommer Fragestunde und RTL II Reality-Doku. Während ich noch verstehen kann, dass die Studis die Anonymität der App nutzen, um Fragen zu Sex zu stellen, bin ich einfach nur schockiert über den Sexismus, der – ebenfalls im Schutze der Anonymität – dort von zu vielen begeistert in die Welt posaunt wird. Ich hatte die App installiert, während gerade der Vorschlag der Frauenbeauftragten der SPD durch die Medien ging, die Nationalhymne gendergerecht zu formulieren. Was die Menschen dort auf Jodel im Schutze der Anonymität von sich gaben, lässt mich stark daran zweifeln, dass a) Jodel tatsächlich eine App für Studierende ist, denn besonders gebildet klang das alles nicht und b) wir mit der Emanzipation die nächsten Jahrzehnte irgendwie weiterkommen werden. Ich habe die App auf jeden Fall wieder deinstalliert. Mit der Illusion, in unserem Land lebten mehrheitlich gebildete, vernünftige Menschen, schläft es sich einfach besser. Aber zum Glück gibts auch richtige tolle Apps:

Die besten Apps fürs Studium

…stelle ich immer wieder mal auf meinem Instagram Account vor (sag‘ ich doch, du solltest mir folgen). Es gibt echt viele gute, hilfreiche Apps! Ihr findet sie unter dem Hashtag #appsfürsstudium. Besonders erwähnen möchte ich hier jetzt nur die App Forest. Ich bin sicher: dank ihr habe ich’s geschafft, mich innerhalb von neun Tagen auf die Physik-Prüfung vorzubereiten – und zwar indem mich die App davon abhielt, alle paar Minuten aufs Handy zu schauen und mich dann in den Weiten des Internets darin zu verlieren. Inzwischen weiß ich: die App ist unter Studis gut verbreitet, denn wir alle haben ja das gleiche Handy-sucht-Problem.

Das Prinzip ist ganz einfach: man stellt ein, wie lange man konzentriert arbeiten möchte und während dieser Zeit pflanzt man in der App einen Baum. Der stirbt ab, falls man vor der Zeit eine andere App öffnet. Und keiner will nen toten Baum in seinem Wald. Nimmt man während der Wachstums- bzw. Lernphase das Handy in die Hand, erscheint auf dem Display sowas wie „Was schaust Du mich so an?“ oder „Zurück an die Arbeit“. Ja, und diesen nachdrücklichen Erinnerungen gehorcht man dann auch. Und so wird ein Tag am Schreibtisch sehr effektiv: statt zu viel Zeit im Internet zu verbringen, beschäftigt man sich tatsächlich mit dem Lernstoff. Ich kann die App nur wärmstens empfehlen. Nicht nur für Studierende, sondern für alle, die definitiv zu viel Zeit mit ihrem Handy verbringen. Neben toller Apps gibt’s auch noch ein paar Gegenstände, die ich als Studentin über 40 nicht mehr missen möchte:

Meine liebsten Gadgets fürs Studium

Klaro, mein iPad Pro  führt die Liste der besten Gadgets fürs Studium an. Dank ihm habe ich ein fast papierloses (Studien-)büro. Bücher (in pdf-Form), Skripten, Mitschriften: alles lebt auf meinem iPad Pro und ich bin erleichtert, dass ich mich in meinem Zweitstudium (anders als in meinem Erststudium) nicht mit meterlangen Regalen voller Ordner quälen muss.

Mein zweitliebstes Gadget ist definitiv das elektrische Heizkissen, das dafür sorgt, dass mir die Zehen nicht abfrieren während der vielen Stunden, die ich regungslos am Schreibtisch sitze. In die Uni kann ich das gute Teil leider nicht mitnehmen – das Kabel reicht nicht bis zur Steckdose 😂. Also behelfe ich mir mit Einmal-Fußwärmern. Leider etwas teuer, aber dafür den ganzen Tag lang warme Füße, selbst im kältesten Hörsaal.

Außerdem liebe ich meine Thermoskanne für Lebensmittel. Dank ihr bin ich nicht auf das Mensa-Essen angewiesen, sondern kann mir mein Essen von zu Hause mitnehmen. In dem Thermosbehälter bleibt es den ganzen Tag warm. Großartig!

Körperliche Auswirkungen des Studiums

Zu diesem Thema habe ich ja schon mal einen Blogbeitrag geschrieben. Inzwischen muss ich zwei weitere körperliche Auswirkungen ergänzen – beide leider doof. Zum einen habe ich durch das stundenlange, tagelange, wochenlange am Schreibtisch sitzen und für Prüfungen lernen zugenommen. Ätzend! Und dabei esse ich nicht mal Zucker und entsprechend auch keine Süßigkeiten. Trotzdem. Einfach durch den Bewegungsmangel. Zumal ich die letzten Wochen der Prüfungsphase aufgrund Zeitmangel nicht mehr im Fitnessstudio war. Zum Glück hab‘ ich jetzt wieder etwas mehr Bewegung und hoffe, das pendelt sich wieder ein.

Das andere nervige: die Sache mit der Presbyopie ist schon echt Mist. Was Presbyopie ist? Alterssichtigkeit. Meine Augenärztin sagt, es trifft absolut jeden über 40: fortschreitender, altersbedingter Verlust der Nahanpassungsfähigkeit des Auges. Oder anders gesagt: Es wird immer anstrengender, klein geschriebenes in der Nähe gut lesen zu können. Und da schreib mal eine zweiseitige Formelsammlung in Schriftgröße 6 (damit auch alles drauf passt), ohne dass Dir die Augen übergehen…

Überhaupt: der ständige, schnelle Wechsel zwischen Fernsicht (die Tafel) und Nahsicht (mein iPad) schafft meine Augen. Innerhalb der wenigen Monate des ersten Semesters wandelte sich meine Brille von „nicht schlecht“ zu „bäh, ich seh gar nix mehr und brauche neue Gläser“. Natürlich kann man das nie wissen, aber ich vermute: ohne diesen ständigen, fürs Auge anstrengenden Wechsel zwischen Tafel und iPad hätten sich meine Augen nicht in so kurzer Zeit so verschlechtert.

Was ich im 2. Semester anders mache

Ich werde nicht mehr auf die Buchempfehlungen der Profs hören. Statt dessen werde ich mir am Anfang des Semesters alle Bücher zu einem Fach ausleihen und dann mit dem Buch arbeiten, das den Stoff kompakt und einfach erklärt. Es war wirklich ein Fehler, mich auf die Buchempfehlungen der Profs zu verlassen. In Physik und Anorganischer Chemie wurden uns zum Beispiel unfassbar dicke Schinken empfohlen, die in epischer Breite jedes noch so klitzekleine Detail erklärten. Nach ein paar Seiten wusste man gar nicht mehr, welche der Trilliarden Detailinformationen nun eigentlich relevant sind. Viel besser waren da die komprimierten Bücher, die den relevanten Stoff didaktisch gut aufbereitet vermittelten. Nur dank dieser Bücher habe ich es geschafft, den Stoff soweit aufarbeiten zu können, dass ich die Prüfungen irgendwie geschafft habe.

Unser Technische Mechanik Prof wiederum behauptete in der ersten Vorlesung, wir würden kein Buch brauchen, weil alles im Skript steht. Allerdings kam ich mit dem Skript nicht zurecht, weil es zu komprimiert war. Schnell verlor ich den Anschluss in diesem Fach, obwohl ich jede Vorlesung gewissenhaft besucht und mit dem Skript nachbereitet hatte. Erst jetzt, da ich mir ein paar Bücher zur Technischen Mechanik ausgeliehen habe, weiß ich: Hätte ich von Anfang mit einem guten Buch gearbeitet und das Skript links liegen lassen, ich wäre wahrscheinlich nicht so verloren gewesen in diesem Fach. Daher: immer selber prüfen, ob es nicht noch besseres Lehrmaterial gibt als das, welches der Prof empfiehlt.

Frauen und Technik

Über den offen gelebten Sexismus an der Technischen Fakultät habe ich ja schon mal berichtet. Deshalb an dieser Stelle mal ein Bericht, was mir außerhalb der Uni in Sachen „Frauen im Ingenieurwesen“ passiert. Gestern war ich auf einer Party und einer der neu angekommenen Gäste begrüßte alle bereits anwesenden. Streng nach Knigge begrüßte er erst alle weiblichen Gäste, dann die männlichen. Als er bemerkte, dass er mich bei seiner Ladies-Runde vergessen hatte, sagte ein anderer etwas in Richtung: „Macht nichts (dass Du Sie bei der Damen-Runde vergessen hast), sie wird jetzt Ingenieurin.“ – Im Sinne von: Eine Frau, die Ingenieurwesen studiert ist keine Frau mehr und muss nicht als solche behandelt werden.

Mir ist ziemlich egal, in welcher Reihenfolge Hände geschüttelt werden. Was mir nicht egal ist: dass Frauen ihre Weiblichkeit abgesprochen wird, wenn sie sich mit Technik beschäftigen. Ich kommentierte das nicht weiter – es wäre nur darauf hinaus gelaufen, dass mir „verstehst wohl keinen Spaß“ unterstellt würde, man kennt das. Im Stillen dachte ich an seine Töchter bzw. die  jungen Frauen ihrer Generation, die eines Tages eine Berufswahl treffen werden. Wie viele Kommentare bekommen sie bis zu ihrer Berufswahl wohl mit, die ihnen subtil oder direkt vermitteln, dass sie lieber nichts in Richtung MINT-Berufe machen sollten, wenn sie weiter „richtige Mädchen“ bleiben wollen. Auch im 21. Jahrhundert scheint das noch Thema zu sein, so wie damals bei mir.

Mit 13 Jahren sollte ich wählen, welchen Zweig ich in der Realschule besuchen wollte: technisch, wirtschaftlich oder sozial? Schon mit 13 war ganz klar: auf den technischen Zweig geht man als Mädchen nicht. Da gehen nur die Mädchen hin, die gar keine richtigen Mädchen sind. Die mit den kurzen Haaren. Die keine hübschen Kleider tragen. Die, in die sich kein Junge verliebt. Die, die keine anderen Mädchen zur Freundin haben. Mit diesem Wissen war klar: der technische Zweig war Mitte der 1980er Jahre keine Option für mich. Der technische Zweig war nur etwas für die ganz hart gesottenen Mädels unter uns, die die Mathematik so liebten, dass sie freiwillig ein Leben im Exil wählten. Auf den sozialen Zweig wollte ich auch nicht, denn da lernte man kochen, basteln und malen. Also blieb für mich damals nur der wirtschaftliche Zweig. Rechnungswesen & Co. Ich war gut darin und langweilte mich zu Tode. Traurig zu sehen, dass man 30 Jahre später Frauen noch immer einreden will, sie müssten sich zwischen Weiblichkeit und Technik entscheiden.