Fünfundzwanzig Jahre nach dem Abi nochmal zu studieren hat körperliche Auswirkungen? Oh ja! Zum einen so witzige, triviale wie Hornhautentwicklung an den Fingern, die den Stift halten. Das hatte ich seit Abschluss meines BWL-Erststudiums nicht mehr: Zeigefinger und Mittelfinger mit Hornhaut und Druckstellen vom Stift halten und viel, viel Schreiben. Die vielen Jahre im Job habe ich einen Stift nur gebraucht, um Verträge zu unterschreiben oder in Meetings ein paar Notizen zu machen. Der Rest lief über Tastatur.

In der Uni wird per Hand geschrieben. Egal ob auf Papier oder ins iPad Pro. Klar nutzt man auch PCs im Studium, aber eben nicht in dem Ausmaß wie Papier und Stift. Entsprechend hatte ich die erste Zeit Schmerzen in der Schreibhand, die die Beanspruchung einfach nicht mehr gewohnt war. Aber das ging schnell vorbei. Und inzwischen bin ich wieder fit im Handschreiben. Netter Nebeneffekt: Ich habe jetzt wieder eine schönere Handschrift bekommen. In den letzten Jahren hatte sich meine Schrift nämlich – aus Mangel an Übung – zur Sauklaue entwickelt. Jetzt, da ich wieder in Übung bin, kann ich auf einmal wieder Schönschreiben. – Leider aber keine Disziplin, die im Ingenieurstudium bewertet wird…

Mein Gehirn hat Muskelkater

Wenn man mit über 40 Jahren wieder studiert, wird neben der Schreibhand ein anderer Teil des Körpers komplett neu gefordert: das Gehirn. Und das konnte ich spüren. Zu beschreiben, wie sich das anfühlte fällt mit allerdings schwer. Ich versuche es mal so: Es fühlte sich an, wie nach starker Reizüberflutung. So als wäre man 24 Stunden am Stück Achterbahn gefahren und hätte nebenbei noch Kopfhörer mit lauter, schriller Musik gehört. Und während Diskolichter in bunten Farben zusätzliche Reize ausüben soll man in all dem Trubel dann unter Zeitdruck Rechenaufgaben lösen. So ungefähr.

Wissensdurst – Der Durst nach dem Lernen?

Totaler Information Overload gepaart mit völlig neuer Beanspruchung und das ohne Pause. Nach einer Woche hatte ich Kopfschmerzen, die sich gewaschen hatten. Ich spürte, dass irgendwas in meinem Gehirn passiert und der Begriff „Gehirnjogging“ machte plötzlich Sinn. Mein Gehirn trainierte. Und genau wie bei körperlichem Training bekam ich Durst. RIESEN Durst. Während der Vorlesungen und beim Lernen in der Bibliothek schüttete ich literweise Wasser in mich rein. Sogar Nachts wachte ich vom enormen Durst auf und trank flaschenweise Wasser. Und trotzdem hatte ich ständig Durst. Die tägliche Trinkempfehlung  verdoppelte ich locker. Ich tippe eher auf Verdreifachung. Ich hatte zu jeder Tages- und Nachtzeit immer zwei Wasserflaschen bei mir und hing daran, wie ein gestrandeter Schiffbrüchiger, der eine Süßwasserquelle entdeckt hat.

Sein Gehirn spürt man – außer bei Kopfschmerz – ja nicht wirklich. Aber während dieser ersten Wochen spürte ich mein Hirn. Ich fühlte, wie es arbeitete und dafür Wasser brauchte. Es war wie ein trockener Schwamm, der alles aufsaugt. Und neben dem Wasser wollte es Eiweiß. Ich stürzte mich auf Fleisch, Nüsse und andere nährstoffreiche Lebensmittel. Das ganze Wasser-Eiweiß-Phänomen dauerte etwa 2-3 Wochen. Inzwischen hat es sich wieder normalisiert. Mein Gehirn hat sich wohl an die neue Beanspruchung angepasst. Viel schlauer fühle ich mich aber leider nicht. 😉