Ich sach‘ Dir weiter nix. Holy Moly. Der erste Tag Mathe-Repetitorium war Hölle. Dabei fing alles so nett an. Aber mal der Reihe nach.
Facebook sei dank habe ich bereits wenige Tage vor Start ein paar Leute aus meinem Studiengang kennengelernt – zumindest per Facebook-Profil und Gruppen-Beiträgen. Bisher sind wir eine rein weibliche Gruppe und alle außer mir haben entweder dieses oder letztes Jahr Abi gemacht. Yep, meinen Ingenieursstudiengang studieren mehr Frauen als Männer. (Was – nebenbei bemerkt – ja eigentlich nur heißen kann, dass es die am miesesten bezahlte Ingenieurskunst ist… 😉 ). Aber das wichtigste an der Gruppe: alle sind total sympathisch.
Erstes Treffen mit den Kommilitoninnen
Wir verabredeten, uns ein paar Minuten vor Beginn des Repetitoriums zu treffen. Aber bereits vorher lernte ich auf dem Parkplatz einen jungen Mann kennen, der ebenfalls zum Mathe-Repetitorium wollte. Und er schien so froh darüber, da nicht allein hingehen zu müssen, dass er sich mir anschloss. Das beruhigte mich: Man lief also lieber neben „der alten Frau“ als allein. Hätte ja auch umgekehrt sein können.
Auch die jungen Frauen waren total nett zu mir. Alle duzten mich selbstverständlich und mir fiel ein riesiger Stein vom Herzen.
Beflügelt folgte ich den anderen in einen der Hörsäle. Riesig und proppenvoll. Dort war ich definitiv die älteste, den Dozenten eingeschlossen.
Eine Lektion in Demut
Und dann ging’s los mit Mathe. Vor ein paar Monaten hatte ich noch getönt, dass ich irgendwie keinen Respekt vor Studiengängen hätte, die „nicht mal Mathe“ haben. Und so saß ich Mathe-As nun also in der Wir-wiederholen-hier-nur-schnell-die-Basics-Vorlesung und verstand NICHTS. Es war der blanke Horror. Ich verstand nur so viel, dass ich wußte, dass das alles kein Hexenwerk war. Dass ich das alles mal super konnte. Dass mir das sogar Spaß gemacht hatte. Aber dazwischen liegen 25 Jahre und jetzt weiß ich nicht mal mehr die Basics. Termumformung. Gleichungen lösen. Ich kann es nicht mehr. Völlig aus der Übung. Keine Ahnung mehr. Und in Kürze würde man von mir erwarten, dass ich in die höhere Mathematik einsteige. So wie wenn man einen Aufsatz schreiben soll in einer Sprache, deren grammatikalische Regeln man nicht kennt. Blub. Mehr kommt da nicht raus.
Entsetzen. „Was verdammt nochmal hast Du Dir nur dabei gedacht?!“, „Ich bin hier völlig fehl am Platz!“, „Das schaffst Du nie und nimmer.“, „WAS HAST DU DIR NUR DABEI GEDACHT!!!“, „Und warum zum Henker hast Du Dich nicht für Kunstgeschichte eingeschrieben?! Oder was anderes, das man einfach nur auswendig lernen kann.“, „Verdammt, warum hast Du Chemie und nicht Mathe vorbereitet?“ Herrje. Und zwischen all diesen Gedanken hatte ich einfach nur Momente der Verzweiflung. Ein-, zweimal dachte ich, ich muss gleich heulen. Und ich gehöre überhaupt nicht zu den Menschen, die nah am Wasser gebaut sind. Null. Gerade im geschäftlichen Umfeld wurde ich häufig als „tough“ bezeichnet. Und jetzt musste ich mich zusammenreißen, nicht vor hundert Leuten flennend aus dem Hörsaal zu laufen.
Ich schaffte es irgendwie, Contenance zu bewahren. Als ich zu Hause ankam begrüßte ich meinen Mann mit den Worten: „Das war der totale Horror. Ich kann das nicht!“
Den Rest des Abends bis tief in die Nacht arbeitete ich mich durch das Repetitorium-Skript und die Mathe-Grundwissenbücher, die ich meinen Kindern im Gymnasium gekauft hatte. Am nächsten Morgen im Tutorium konnte ich trotzdem keine einzige Aufgabe lösen. Oder doch, eine einzige. Eine super, super einfache. So wie 1 + 1 = 2. Aber das hat mich so beflügelt, dass ich dem Gedanken „Vielleicht solltest Du einfach nach Hause fahren. Bringt ja nix.“ nicht nachgab. Statt dessen ging ich in die Uni-Bibliothek und lieh mir ein paar „Mathe for Dummies“ Bücher aus. Die Hoffnung stirbt zuletzt.