Vor wenigen Wochen flatterte eine Stellenanzeige vom Auswärtigen Amt über meinen Twitter-Feed. Es war ein Aufruf, sich für den gehobenen Dienst zu bewerben. Keine Ahnung, warum ich das erhalten habe. Als 43jährige Betriebswirtin gehöre ich sicherlich nicht zur Zielgruppe…

Die interessanten Jobs gibt’s nur mit Studium

Die Anzeige erinnerte mich daran, dass ich eigentlich mal zum Auswärtigen Amt wollte. Zumindest hatte ich das in Erwägung gezogen. Damals, als ich mich auf den Realschulabschluss vorbereitete und auf Ausbildungsplatzsuche war. Schnell wurde aber klar: Was mich wirklich interessierte war der höhere Dienst, die Diplomatenlaufbahn. Mit meinem Schulabschluss qualifizierte ich mich jedoch nur für den mittleren Dienst. Sachbearbeiterebene. Nicht mein Ding.

Mit mittlerer Reife gab’s nur Fachabitur

Aber auch der Job, für den ich mich nach der Realschule schließlich entschied, langweilte mich. So sehr, dass ich ihn bereits nach einem Jahr kündigte. Aus Mangel an Alternativen ging ich zurück an die Schule. Zwei Jahre später hatte ich das Fachabitur im wirtschaftlichen Zweig. Und wenn man dann studieren will, gibt es wieder nur einen Weg, keine Alternativen. Mit einem Fachabitur konnte man damals nur an einer Fachhochschule studieren. Und auch nur in seinem Abi-Fach. Das bedeutete für mich: BWL-Studium an der FH. Ich habe den Studienstart tatsächlich zwei Jahre hinausgezögert, denn so richtig spannend klang das mit dem BWL-Studium nicht. Aber irgendwann fing ich dann eben doch an. Und irgendwann hatte ich BWL studiert.

Plötzlich BWL-Absolventin

Jeden Abschluss, egal ob Realschule, Fachabitur oder Studium, absolvierte ich mit sehr guten Noten. Und fragte mich jedes Mal, wie gut ich wohl gewesen wäre, wenn ich etwas studiert hätte, das mich total begeistert. Nicht falsch verstehen, ich bin froh, BWL studiert zu haben. Als Betriebswirt erhält man eine umfassende Ausbildung, die einen befähigt in vielen verschiedenen Bereichen der Wirtschaft tätig zu sein. Und diese Vielfalt liebe ich an BWL. Sie hat mich durch meine Berufsjahre getragen und mich in all den Jahren in die Lage versetzt viele verschiedene Aufgaben und Verantwortlichkeiten einzunehmen.

Erfolg als Betriebswirtin

Ich habe als Marketing Manager gearbeitet, als Leiterin des Vertriebsinnendienstes, Pressesprecherin, Social Media Manager, Manager für Personalkommunikation, Personalreferentin und Führungskraft in der Personalabteilung. Nur im Bereich Wirtschaftsinformatik, meinem Studienschwerpunkt, habe ich nie gearbeitet. Meine IT-Affinität war allerdings in jedem Job von Nutzen. Das Schema: begeistert mich nicht wirklich, kann ich aber trotzdem gut, klappte auch im Job. Ich war gut und erfolgreich. Und das musste ich auch sein, denn als Alleinerziehende musste ich die Brötchen verdienen. So viele wie möglich. Als BWLerin kann man gutes Geld verdienen. Auch deshalb bin ich dankbar, BWL studiert zu haben.

Midlife Crisis oder realistische Betrachtung?

Inzwischen haben meine Kinder selbst Abi oder stehen kurz davor. Und ich stehe an einem beruflichen Wendepunkt. Zumindest könnte es einer werden. Die Twitter-Anzeige vom Auswärtigen Amt brachte für mich den Stein ins Rollen. Mit einem Klick landete ich auf der Seite des Auswärtigen Amts und war beim Lesen schnell wieder Feuer und Flamme für den Höheren Dienst, die Diplomatenlaufbahn. Was vor ca. 30 Jahren mit meinem Realschulabschluss nicht möglich war, schien jetzt zum Greifen nahe. Für den Höheren Dienst benötigt man ein abgeschlossenes Studium (BWLer gern gesehen), muss einen Test bestehen (die Literaturliste zur Vorbereitung ist sehr lang…) und man sollte bei Verbeamtung noch nicht 50 sein, weil das dann schwierig wird dem Bundesamt für Finanzen zu verklickern. Ja! Ja! Ja!

Wie die Entscheidung einer 10jährigen das Leben einer 43jährigen beeinflusst

Je mehr ich las, umso begeisterter wurde ich. Endlich meinen Jugendtraum erfüllen. Alle zwei Jahre in einer neuen Position an einem neuen Ort! Klingt großartig, denn nach spätestens zwei Jahren wurde es mir bisher in jedem Job langweilig. Und nach spätestens drei Jahren habe ich immer gewechselt. Bei der genaueren Recherche der Vorraussetzungen kam dann die Ernüchterung: mein Studium 2. Klasse (FH) wurde nicht anerkannt. Es brauchte ein Uni-Diplom oder einen Master. Außerdem muss man Französisch beherrschen – auf Abitur-Level. Da war er wieder, der 2. Bildungsweg, der mich limitierte: Französisch und Uni-Diplom hätte es nur gegeben, wenn ich nach der 4. Klasse aufs Gymnasium gegangen wäre. Als man mich in der 4. Klasse, im zarten Alter von 10 Jahren fragte, auf welche Schule ich gehen wollte, hatte ich leider die falsche Antwort gegeben. Aber man hatte mir auch nicht erklärt, dass man mit dem einen Abschluss limitiert ist und mit dem anderen jede Möglichkeit hat. Man hatte mich gefragt: magst Du 10 Jahre zu Schule gehen oder 13 Jahre?

Der schnellste Weg zum Traumjob geht über den Master

Aber mein Ehrgeiz war geweckt: dann lerne ich halt doch noch Französisch (drei mal hatte ich es schon versucht) und mache einen Master. Auf einen weiteren BWL-Bürojob hatte ich ohnehin gerade keine Lust mehr. Und die Kinder waren nun auch nicht mehr auf mein Gehalt angewiesen, zumindest nicht mehr so wie zu Schulzeiten.

Also recherchierte ich den schnellsten und einfachsten Weg zum Master. Mit 43 Jahren. Erstsemester gemeinsam mit meinen Kindern? Naja, ich hab‘ die Dinge schon immer anders gemacht. Und außerdem: wenn ich mit dem Studium fertig bin, hab‘ hab ich immer noch 20 Jahre bis zur Rente. Das ist länger als die Zeit die ich jetzt schon gearbeitet habe. Auf ins Abenteuer.